Text: Esther Mlenek, Bildrecht

Auf deine Schläfen tropft schwarzer Tau - A cada puerco le llega su navidad

Wenn Wasser teurer ist als Benzin: Der komplexen globalen Verflechtung und der Rolle von Nestlé in Bezug auf Verteilungsprobleme, die sich auch aus dem Konjunkturzyklus von Wasser als Produkt ergeben, den oft undurchsichtigen Vergaben von Abfüllkonzessionen an multinationale Konzerne und der Ausgrenzung und existenziellen Bedrohung lokaler Bevölkerungsgruppen, widmet sich Jakob Kirchmayr in einer meterlangen Wandinstallation.

 

Darin lenkt Jakob Kirchmayr den Blick nach Mexiko, genauer auf den Vulkan Iztaccíhuatl, im Volksmund auch „schlafende Frau“ genannt. Seit der Epoche der Azteken ist der Berg für seine Wasserreservoirs bekannt. Seit 2008 führt Nestlé täglich mehr als eine Million Liter aus den Tiefen des Iztaccíhuatl ab, während umliegenden Gemeinden die Nutzung der Quellen für Trinkwasser oder für den landwirtschaftlichen Gebrauch verboten wurde. Die zunehmende Verknappung von Wasser und die Verschmutzung von Seen und Flüssen begünstigt für den involvierten Großkonzern den Verkauf von Trinkwasser in Flaschen zusätzlich, die Privatisierung der Quellen ist ein lukratives Milliardengeschäft.

So unbehaglich wie der österreichische Künstler in der Aufarbeitung dieses globalen, gesellschaftsrelevanten Themas erscheint, wirkt aktuell selten jemand. Generell ist der Großteil der Arbeiten von Jakob Kirchmayr schwere Kost. Der Künstler führt direkt zu den Abgründen unserer Existenz. Rätselhaft, düster, auf merkwürdige Weise aber auch verführerisch ist sein Kosmos. In “Auf deine Schläfen tropft schwarzer Tau” schwebt ein androgyner Körperabdruck aus Kohle und Asche auf zerknittertem Baumwollgewebe zwischen Leben und Tod. Der Körperabdruck der mexikanischen Performance-Künstlerin Guadalupe Aldrete symbolisiert zugleich den ruhenden Vulkan Iztaccíhuatl sowie den Ursprung des Lebens als Quelle.

In der Installation verbindet Jakob Kirchmayr fein lasierte Malerei mit dem für seine Kunst charakteristischen expressiven Duktus. Vor allem in der unteren Bildhälfte findet sich dramatische Bewegung, doch fehlt der Komposition eine richtungsweisende Dynamik. Simultan beherrschen Andeutung und Entrückung, Verdichtung und Lockerheit, die Bildfläche. Der kohlschwarze Körperabdruck zieht eine beharrliche Grenze zu seinem abstrakten Umraum, erhebt sich unabdinglich präsent über Kirchmayrs durchnässtem Farbschlachtfeld. An die monochromen Körperdrucke eines Yves Klein erinnernd, dominiert Kirchmayrs Figur, obwohl haltlos und apathisch, die Gegenüberstellung zu konkreter Geometrie und setzt sich gegenüber der Anziehungskraft der intensiven Blautöne durch. Der Mensch, das Leben, stehen im Zentrum.

 

Beninzkanister

In der Frauenfigur drückt der Künstler die Verletzbarkeit und die Verletztheit des menschlichen Daseins im Allgemeinen aus. Um die oft ausweglose Situation der vom Geschäft mit dem Wasser betroffenen Bevölkerung zu unterstreichen, hat Jakob Kirchmayr alte geschmiedete Nägel, ein an Stacheldrahtzäune anklingendes Motiv, in die Leinwand eingenäht und verbindet die Arbeit mit mehreren, als Objekt angeordneten, Ölkanistern. Einen Gedankenstrich möchte man dieser Arbeit von Jakob Kirchmayr voranstellen. In der Verbindung von Wandbild mit Objekt führt der Künstler seiner Arbeit zusätzliche Bedeutungsebenen zu. Gerade in einer krisenhaften Zeit, die sich nach klaren Botschaften sehnt, verweigert sich seine Kunst der Eindeutigkeit. Immer wieder fühlt man sich geneigt zu fragen: Wie geht das alles zusammen?

Benzinkaninster
n.a.
Kanister

Die Kirchmayr’sche Semiotik ist vertrackt und genau das ist ihr Reiz. Bis auf wenige Indizien wirft uns der Künstler auf uns selbst zurück. Wir sind angehalten zu betrachten – auch spürbar Unangenehmes – aufgefordert uns einzulassen auf eine entrückte Welt der Assoziationen. In der Entscheidung den Schwebezustand, die Isolation, gar das Martyrium von Kirchmayrs Figur „auszuhalten“, liegt zugleich ein Bekenntnis zum Prinzip des Unaussprechlichen. Jakob Kirchmayrs Bildkosmos will nicht erklären, allenfalls Fragen stellen und Stimmungen wiedergeben. Seine Kunst geht dabei den Weg des individuellen Widerstandes, an dessen Ende immer nur die Bewahrung der Freiheit stehen kann.

In Kooperation mit: Bildrecht, performance artist Guadalupe Aldrete und Kurator Oskar Sanchez